Hörverlust-Forschung: Zebrafische zeigen Wege zur Regeneration geschädigter Haarzellen

Nature Communications ■ Was wir von den Tieren lernen können

Forschungsergebnisse aus den USA liefern neue Erkenntnisse darüber, wie sensorische Haarzellen im Innenohr-ähnlichen Organ von Zebrafischen regeneriert werden. Zwei unterschiedliche Gene spielen dabei eine zentrale Rolle und steuern unabhängig voneinander die Zellteilung von Stammzellen und Vorläuferzellen. Die Ergebnisse sind auch für die Hörforschung beim Menschen von Bedeutung – insbesondere im Hinblick auf mögliche Therapien gegen Hörverlust.

Warum Zebrafische für die Hörforschung wichtig sind

Zebrafische zeigen Wege zur Regeneration geschädigter Haarzellen.
Zebrafische zeigen Wege zur Regeneration geschädigter Haarzellen.

Manche Tiere können beschädigte Hörzellen selbst nachbilden, beim Menschen funktioniert das nicht. Zebrafische hingegen, auch “Zebrabärbling” (lateinisch: Danio rerio) genannt, sind ein etabliertes Modellsystem zur Untersuchung regenerativer Prozesse. Besonders relevant ist dabei ihr Seitenliniensystem, bestehend aus sogenannten Neuromasten. Diese sensorischen Organe enthalten Haarzellen, die der Wahrnehmung von Wasserbewegungen dienen, sowie unterstützende Stamm- und Progenitorzellen. Die Funktionsweise dieser Strukturen ähnelt stark der des menschlichen Innenohrs. Deshalb lassen sich Erkenntnisse aus der Fischforschung gut auf das menschliche Hören übertragen.

Ein wesentlicher Vorteil: Die Transparenz der Zebrafisch-Larven erlaubt es, Zellverhalten in Echtzeit zu beobachten und gezielt genetisch zu analysieren. Dies macht den Zebrafisch zu einem gefragten Modellorganismus in der regenerativen Biomedizin. Weil ihre Körper durchsichtig sind, können Forschende also genau beobachten, wie sich die Zellen im Inneren verhalten.

Zwei Gene steuern gezielt die Regeneration von Hörzellen

Im Zentrum der neuen Studie steht die Rolle zweier CyclinD-Gene, die spezifisch in unterschiedlichen Zelltypen aktiv sind: eines in Stammzellen, das andere in Progenitorzellen. Beide Zelltypen sind an der Regeneration von Haarzellen beteiligt, übernehmen dabei jedoch unterschiedliche Funktionen. Zwei verschiedene Gene steuern also gezielt zwei verschiedene Zellgruppen, die an der Neubildung von Hörzellen beteiligt sind.

Die Forschenden konnten zeigen, dass das Ausschalten jeweils eines dieser Gene nur eine Zellpopulation in ihrer Teilungsfähigkeit beeinflusst – entweder die Stammzellen oder die Progenitorzellen. Dadurch lässt sich die Zellteilung innerhalb eines Organs gezielt und differenziert steuern. Dies ist für regenerative Prozesse entscheidend, um einerseits neue Zellen zu bilden und andererseits den Zellvorrat langfristig zu erhalten. So lässt sich gezielt eine Zellgruppe aktivieren, ohne die andere zu erschöpfen.

Hörzellen wachsen nach – ohne die Stammzellen zu verbrauchen

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Entkopplung von Zellteilung und Differenzierung bei den Progenitorzellen. Selbst wenn sie sich nicht mehr teilen konnten, waren sie noch in der Lage, Haarzellen zu bilden. Wurde ihnen jedoch das stammzelltypische CyclinD-Gen zugeführt, erlangten sie ihre Teilungsfähigkeit zurück. Dieses Wechselspiel zeigt, wie flexibel regenerative Zellprozesse organisiert sein können – ein Ansatz, der auch für die Medizin des Menschen interessant ist. Das bedeutet, manche Zellen können zwar keine Kopien mehr von sich selbst machen, aber trotzdem neue Hörzellen entstehen lassen.

Relevanz für die menschliche Hörforschung

Im Gegensatz zu Zebrafischen verfügen Menschen und andere Säugetiere nicht über die Fähigkeit, sensorische Haarzellen nach einer Schädigung zu regenerieren. Dies ist ein zentraler Grund für irreversible Hörverluste im Alter oder nach Lärmbelastung. Die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen zu verstehen, warum diese Fähigkeit bei Säugetieren fehlt – und ob sie sich unter bestimmten Bedingungen reaktivieren lässt. Beim Menschen bleiben beschädigte Hörzellen meist dauerhaft verloren, und genau hier setzt die Forschung an.

Da CyclinD-Gene auch in anderen Geweben wie Darm und Blut eine wichtige Rolle bei der Zellteilung spielen, könnten die Ergebnisse zudem über das Ohr hinaus Bedeutung haben. Denkbar ist ein breiterer Einsatz solcher genetischer Steuerungsmechanismen in der regenerativen Medizin. Vielleicht lassen sich also ähnliche Steuermechanismen auch in anderen Bereichen des Körpers nutzen, nicht nur im Ohr.

Die Studie zeigt, dass Regeneration in einem Organ durch unterschiedliche genetische Programme präzise gesteuert werden kann. Die Entdeckung zweier unabhängig wirkender Gene zur Regulation der Zellteilung ist ein vielversprechender Ansatzpunkt, um regenerative Prozesse besser zu verstehen – nicht nur im Ohr, sondern potenziell auch in anderen Geweben. In der Hörforschung könnten diese Erkenntnisse mittelfristig zur Entwicklung neuer Therapien beitragen, die gezielt regenerative Mechanismen im menschlichen Innenohr aktivieren.

Quelle: Mark E. Lush et al. (2025), “Stem and progenitor cell proliferation are independently regulated by cell type-specific cyclinD genes, Nature CommunicationsDOI: 10.1038/s41467-025-60251-0