Neue Therapie auch für zu Hause. Tinnitus wird doppelt bekämpft

Piepen, Rauschen, Rattern: Jeder Tinnitus ist anders. Alle Ohrgeräusche allerdings sind auf Dauer zermürbend. Ein neuer Therapieansatz aus den USA hilft Patienten, die durch Kieferbewegungen ihre Phantomtöne beeinflussen können.

Millionen Menschen weltweit haben Geräusche in den Ohren, ohne dass es eine äußere Schallquelle gibt. Je länger die inneren Töne anhalten, umso belastender sind sie. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ärzte können mittlerweile 90 Erkrankungen angeben, die zu Tinnitus führen können. Die erfolgreiche Behandlung ist deshalb oftmals eine große Herausforderung.

Forscher der University of Michigan haben deshalb eine neue Therapiemethode entwickelt und getestet, die an zwei unterschiedlichen Punkten ansetzt. Einerseits werden die Patienten mit einer für ihren Tinnitus maßgenschneiderten Ton beschallt. Andererseits werden gleichzeitig kleinste elektrische Impulse an bestimmte Stellen im Nacken und im Kopf verabreicht. Diese sind kaum spürbar.

Bei der Methode gehen die Forscher um Susan Shore von einem neuronalen Auslöser für den Tinnitus aus. Das bedeutet, ein bestimmtes Areal im Hirnstamm, der sogenannte dorsale cochleare Nucleus ist überaktiv. Aus diesem Grund werden die Eigengeräusche, die zum Beispiel entstehen, wenn man den Kopf bewegt, nicht wie normalerweise unterdrückt, um Geräusche von außen besser wahrzunehmen, sondern sogar verstärkt. Das Phantomsignal entsteht.

Die Forscher testeten ihre Methode zunächst an Meerschweinchen. Es zeigte sich, dass die neue Therapie tatsächlich die Geräusche in den Ohren der Tiere unterbrechen konnte, allerdings nur, wenn die zeitliche Abfolge von Strompulsen an Kopf und Nacken und den Tönen in den Ohren gleichzeitig gegeben wurde.

Daraufhin wurden Personen mit starkem Tinnitus für erste Tests ausgewählt. 20 von ihnen erhielten über einen Zeitraum von 28 Tagen täglich 30 Minuten lang die neue Therapie. Eine andere Patientengruppe dagegen bekam genau so lange zwar eine akustische Tinnitus-Beschallung. Ihnen wurden jedoch Elektroden angelegt, die keine Funktion hatten.

Es zeigte sich, dass die tatsächlich behandelten Patienten im Durchschnitt ihre Ohrgeräusche um 12 Dezibel leiser hörten. Bei zwei Patienten verschwanden die Phantomtöne sogar vollständig. Zudem erkannten die Forscher eine Besserung der psychischen Belastung. Bei den Personen in der Kontrollgruppe dagegen waren keine messbaren Veränderungen sichtbar.

«Wir wollen nun herausfinden, wie lang die optimale Therapiedauer ist und welche Art von Tinnitus-Patienten am meisten von dieser Methode profitieren», erklärte Shore, die die Studie leitete. Die ausgewählten Personen der Pilotstudie gehörten alle zu den Patienten, die ihre Ohrgeräusche durch bewusstes Anspannen von Kiefer- und Nackenmuskulatur oder Bewegungen in diesem Bereich beeinflussen können. Ob auch andere Tinnitus-Betroffene davon profitieren können, müssen die Forscher erst noch herausfinden.

Finanziell unterstützt werden die kommenden Untersuchungen vom US-National Institutes of Health. Ein Patent für die neue Methode ist bereits eingereicht. Zudem haben die Forscher ein Therapie-Set entwickelt, das eine Behandlung für Betroffene zu Hause ermöglichen soll. Ihre Ergebnisse veröffentlichten Sie im Fachmagazin «Science Translationale Medicine».

Quelle: https://www.n-tv.de/wissen/Tinnitus-wird-doppelt-bekaempft-article20213150.html