Cool: Seit ich einen kleinen Helfer im Ohr habe, denken die Leute, ich telefoniere.
Ich bin kein Sonderling mehr. Ich gehöre wieder dazu. Das sagen mir die Blicke der Leute. Wenn ich laut argumentierend durch die Fußgängerzone husche, beachten mich die Menschen gar nicht. Früher trafen mich oft befremdete oder belustigte Blicke, und ich regelte erschrocken die Lautstärke meiner Selbstgespräche herunter.
Jetzt ist wieder alles in Ordnung. Seit ich ein Hörgerät im Ohr habe, denken die Leute, ich telefoniere. Man begegnet mir wieder angstfrei und unbeschwert. Ich habe absichtlich nicht die unauffälligen, fleischfarbenen Modelle gewählt, sondern etwas Klobigeres in Pink-Metallic. Hipness soll man ruhig zeigen. Das hat mir ganz neue Dimensionen eröffnet. Als alter Sack bin ich verdrahtet mit der Avantgarde und eine Art lebender Elektroladen. Das kommt an. Da wollen sich viele eine Scheibe abschneiden.
Wenn ich auf die Tonne hauen will, wippe ich rhythmisch mit dem Fuß und verziehe ab und zu schmerzhaft mein Gesicht. Dann jaulen die Gitarren, und ich werde der unbeugsamen Metal- oder einer nerdigen Jazzer-Szene zugerechnet. Selten war ich so respektiert wie heute. In der U-Bahn setzen sich viele schon weg. Und wenn doch einer bleibt und mich verständnisinnig anlächelt, beantworte ich gern alle Fragen. Ich höre ja jetzt wieder besser und bin nicht mehr auf mich angewiesen
Mein letztes Geheimnis aber enthülle ich nur Unsympathen. Für sie zücke ich mein Smartphone aus Kiefernholz und lächle leicht entrückt.
Quelle: https://www.abendblatt.de/meinung/article206683353/Hip-mit-Hoergeraet-ich-kann-das-tragen.html