Forscher haben untersucht, ob Schwerhörigkeit und kognitiver Abbau zusammenhängen. Eine Metaanalyse liefert erste Hinweise.
DUBLIN. Meist fängt es damit an, dass man im allgemeinen Stimmengewirr auf der Party oder im Restaurant den Gesprächspartner nicht mehr gut versteht. Die altersbedingte Schwerhörigkeit (ARHL, age related hearing loss), an der heute etwa jeder dritte Mensch über 65 leidet, ist im Frühstadium nicht so sehr durch Schädigungen am peripheren Hörorgan bedingt, sondern vielmehr durch eine gestörte zentrale Verarbeitung akustischer Signale.
Insofern erscheint die Hypothese plausibel, nach der das abnehmende Hörvermögen möglicherweise Vorbote einer beginnenden Demenz sein könnte.
Dieser Frage sind David G. Loughrey vom Trinity College in Dublin und Kollegen auf den Grund gegangen. In einer Metaanalyse haben sie die Ergebnisse aus 36 Studien zu Altersschwerhörigkeit und Kognition zusammengefasst (JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2018; 144(2):115-126). Beteiligt waren insgesamt 20.264 Menschen aus zwölf Nationen.
Schwerhörigkeit als Risikofaktor?
Was das irische Forscherteam fand, war zunächst eine zwar relativ gering ausgeprägte, aber dennoch signifikante Assoziation des ARHL mit allen untersuchten Bereichen der kognitiven Funktion, unter anderem globale Wahrnehmung, exekutive Funktionen, episodisches Gedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Wortgedächtnis und räumlich-visuelle Wahrnehmung.
Das Hörvermögen hatte man mithilfe der Reintonaudiometrie erfasst. Für alle Bereiche bestand eine lineare Korrelation, das heißt, mit zunehmender Schwerhörigkeit war eine Abnahme der kognitiven Fähigkeiten verbunden.
Sowohl in den berücksichtigten Querschnitts- als auch in Kohortenstudien waren ARHL und kognitive Beeinträchtigung signifikant verknüpft; die Odds Ratios lagen bei 2,0 beziehungsweise 1,22. Ähnliches galt allgemein für die Demenz (OR 2,42 beziehungsweise 1,28). Dagegen blieb der Zusammenhang zwischen ARHL und Alzheimer-Demenz unter dem Signifikanzniveau.
Für Loughrey und sein Team unterstützen diese Ergebnisse die Hypothese, dass es sich bei der altersbedingten Schwerhörigkeit um einen (beeinflussbaren) Risikofaktor für einen multidimensionalen kognitiven Abbau handelt.
Die Studienqualität sei überwiegend sehr gut gewesen, so die Experten. Allerdings habe man für die Alzheimer-Demenz relativ wenig Datenmaterial zur Verfügung gehabt.
Für die Forscher gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass der Hörverlust auch pathophysiologisch mit dem kognitiven Abbau verknüpft sei.
So stünden beide in Zusammenhang mit einer beeinträchtigten verbalen Kommunikation sowie einer vaskulären Dysfunktion. In beiden Fällen gebe es außerdem Hinweise auf eine verstärkte Atrophie der grauen Substanz.
«Therapie» mit Hörhilfen
Interessant war für die Forscher, dass sich bei Einsatz von Hörhilfen die Assoziation abzuschwächen schien; dies betraf vor allem die Bereiche Kurzzeitgedächtnis und semantisches Gedächtnis.
Aus Verhaltensstudien und bildgebender Hirnforschung ist bekannt, dass bei neu aufgetretenem Hörverlust vermehrt das Kurzzeitgedächtnis und exekutive Funktionen herangezogen werden, um die Sprachwahrnehmung zu unterstützen.
Laut Loughrey wird vermutet, dass dies quasi zu einer Umverteilung kognitiver Ressourcen führen könnte: Dies gehe offenbar auf Kosten des episodischen Gedächtnisses und des Langzeit-Sprachgedächtnisses.
Da in die Metaanalyse ausschließlich Beobachtungsstudien eingeflossen sind, lässt sich kein Kausalzusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und kognitivem Abbau belegen.
Allerdings weisen auch die Studienkommentatoren um Dr. Francesco Panza von der Universität Bari auf die Bedeutung des Hörverlusts bei alternden Menschen hin: So bestehe ein starker Zusammenhang zwischen ARHL und Gebrechlichkeit. Und Letztere sei mit zahlreichen Faktoren verbunden, die wiederum mit dem kognitiven Abbau in Verbindung stehen: Mangelernährung, metabolische Störungen, Entzündungsmarker, Diabetes, Herzinsuffizienz und Schlaganfall.
Insgesamt könnte es also durchaus sein, dass die Schwerhörigkeit zur «kognitiven Last» des alternden Gehirns beitrage. Umso bedeutsamer wäre, falls sich dieser Zusammenhang bestätigt, eine adäquate Therapie mit Hörhilfen, die dann nämlich unter Umständen dazu beitragen könnten, die Geistesleistung der Betroffenen länger zu erhalten. Dieses gilt es nun, in randomisierten Studien zu untersuchen.
Quelle: https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/hno-krankheiten/article/961052/studie-erst-schwerhoerig-dann-dement.html