Beitrag erstellt vom Deutschen Ärzteblatt.
Frankfurt – Beide Gehirnhälften des Menschen übernehmen während des Sprechens einen Teil der komplexen Aufgabe, Laute zu formen, die Stimme zu modulieren und das Gesprochene zu überprüfen. Neurowissenschaftler und Phonetiker der Goethe-Universität Frankfurt und des Leibniz-Zentrums für Allgemeine Sprachwissenschaft berichten jetzt, dass die Aufgabenteilung der Hirnhälften anders ist als bislang angenommen. Ihre Arbeit ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen (DOI: 10.1038/s41467-020-16743-2).
Laut den Wissenschaftlern ging man bislang davon aus, dass das gesprochene Wort in der linken Hirnhälfte entsteht und von der rechten Gehirnhälfte analysiert wird. Wenn wir beispielsweise Englisch lernen und das „th“ üben, würde die linke Gehirnhälfte das Zusammenspiel von Zunge und Zähnen motorisch steuern, während die rechte überprüft, ob der produzierte Laut so klingt, wie wir ihn formen wollten. In Wirklichkeit scheint aber nicht nur die rechte Gehirnhälfte zu analysieren, wie wir sprechen, sondern auch die linke leistet dazu einen Beitrag.
„Während die linke Hirnhälfte bei der Sprachkontrolle zeitliche Aspekte wie Übergänge zwischen Sprachlauten kontrolliert, ist die rechte Gehirnhälfte für das Klangspektrum zuständig. Wenn man zum Beispiel ‚mother‘ sagt, kontrolliert die linke Hirnhälfte bevorzugt die dynamischen Übergänge zum Beispiel zwischen ‚th‘ und den Vokalen, während die rechte Hirnhälfte bevorzugt den Klang der Laute selbst überprüft“, erläutert Christian Kell von der Klinik für Neurologie der Goethe-Universität.
Kells Arbeitsgruppe konnte dies zusammen mit der Phonetikerin Susanne Fuchs aufgrund von Untersuchungen nachweisen, bei denen Probanden sprechen mussten, während ihre Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie aufgezeichnet wurde.
Eine mögliche Erklärung für diese Form der Arbeitsteilung zwischen den beiden Hirnhälften ist laut den Wissenschaftlern, dass die linke Hirnhälfte generell schnelle Abläufe, wie die Übergänge zwischen Sprachlauten, besser analysiert als die rechte. Die rechte Hirnhälfte könnte besser langsamere Abläufe kontrollieren, die zur Analyse des Klangspektrums benötigt werden, so die Wissenschaftler. © hil/aerzteblatt.de