Betrag zitiert von SWR.de.
Ein Langzeitaufenthalt in der Antarktis kann Auswirkungen aufs Gehirn haben. Bei Isolation und Monotonie können Bereiche schrumpfen, die unter anderem für das räumliche Denken zuständig sind.
Bei Menschen, die sich 14 Monate lang auf der Forschungsstation Neumayer drei in der Antarktis aufhielten, ist das Hirnvolumen geschrumpft. Das berichtet Dr. Alexander Stan im New England Journal of Medicine.
Wie kamen Sie darauf, das zu untersuchen?
Es gibt bereits eine ganze Reihe von sehr interessanten Untersuchungen an Tieren, die in sozialer Isolation gehalten werden. Bei denen wurden starke Veränderungen im Gehirn beobachtet im Vergleich zu Tieren, die nicht isoliert wurden. Das bei Menschen zu untersuchen ist aber schwierig. Schon aus ethischen Gründen, aber auch aus logistischen und finanziellen Gründen ist es nicht möglich, so etwas über einen sehr langen Zeitraum mit Laborstudien abzubilden.
Deshalb sind Expeditionen in extreme Umwelten eine gute Lösung. Gerade die Neumayer Station in der Antarktis erwies sich als wissenschaftlicher Glücksfall, weil die Expedition dorthin meist von sehr langer Dauer ist und auch die Menschengruppe vor Ort sehr klein ist.
Was hat sich genau bei der Gruppe im Gehirn verändert?
Der Bereich im Hirn, der uns besonders interessiert hat, ist der sogenannte Hippocampus. Da hat sich gezeigt, dass dieser Bereich sich tatsächlich nach der Expedition verkleinert hat. Dieser Bereich ist ganz wichtig für das Lernen, aber auch für die räumliche Navigation. Das ist sozusagen unser inneres eigenes GPS System. Es ist möglich, dass durch diese Hirnschrumpfung auch die Fähigkeiten zur Navigation oder auch zur Gedächtnisbildung eingeschränkt sind.
Wie haben sie das genau untersucht?
Wir haben bei einer Gruppe von fünf Männern und vier Frauen im Alter von 25 bis 36 Jahren strukturelle Hirn-Aufnahmen vor und nach der Expedition gemacht, Blutproben genommen und sie regelmäßig kognitiven Tests unterzogen. Die Ergebnisse wurden mit denen einer Kontrollgruppe in Deutschland verglichen. Bei den neuropsychologischen Tests konnten wir fest stellen, dass sich die Lernfähigkeiten tatsächlich verändert haben.
So konnten wir verfolgen, dass die Tests über die Zeit der Isolation hin immer schwächer ausfielen. Das korrelierte mit der Volumenabnahme im Hippocampus.
Führte die Isolation also tatsächlich zu kognitiven Einschränkungen der Probanden?
Ja, zumindest im Hinblick auf die wissenschaftlichen Fragestellungen, die wir hatten. Ich glaube jedoch nicht, dass die Teilnehmer dasselbe auch im Alltag bei sich bemerkt haben.
Was genau hat die Hirnschrumpfung bewirkt?
So ganz genau wissen wir das noch nicht, aber zwei wesentliche Faktoren scheinen dafür eine wichtige Rolle zu spielen. Da ist zum einen die soziale Isolation. Durch eine sehr kleine Gruppe bin ich auf wenige Sozialkontakte über einen sehr langen Zeitraum beschränkt. Die Anzahl der Sozialkontakte, die wir üblicherweise haben, ist um ein Vielfaches höher.
Der zweite Faktor ist die Monotonie. Ich bin immer den gleichen Alltagsabläufen ausgesetzt und damit verbunden ist auch eine veränderte Reizstimulation. Am Anfang ist die Antarktis als Wüste aus Eis sicherlich sehr attraktiv. Aber wenn ich dauerhaft immer diesen gleichen Reizen ausgesetzt bin, dann ist das möglicherweise nicht ausreichend, weil unser Hirn an sich sehr starke visuelle, kontrastreiche und dynamische Bilder benötigt.
Kann man das auch auf die Hirne von Menschen beziehen, die in öden Landschaften leben?
Das kommt ganz darauf an. Denn die zwei Faktoren lassen sich im Einzelfall sicher auch durch andere Einflüsse kompensieren. Wenn sie beispielsweise einen Hirten in der Tundra nehmen. Der lebt vielleicht in einer gleichförmigen Landschaft, er hat aber sicher ganz unterschiedliche Tagesabläufe. Da gibt es eine Reihe von Faktoren, die nicht zwingend dazu führen, dass wir auch von einer Schrumpfung des Hippocampus ausgehen können. Aber bei Gefängnisinsassen in Isolationshaft, da bin ich ganz sicher, dass wir etwas Ähnliches sehen würden.
Wie kann man da vorbeugen?
Wir führen gerade Untersuchungen durch, um Präventivmaßnahmen zu finden, die diese Veränderungen vermindern. In der Weltraummedizin, von der diese Forschung angestoßen wurde, sprechen wir von sogenannten Gegenmaßnahmen.
Wir wissen, dass regelmäßige körperliche Aktivität nicht nur für unser Herz-Kreislaufsystem und für unsere Muskeln und Knochen ganz wesentlich ist, sondern auch tatsächlich für unser Gehirn. Gleichzeitig wissen wir, wie wichtig eine sensorische Stimulation für das Gehirn ist.
Vor kurzem haben wir eine Studie abgeschlossen, bei der wir die Expeditionsteilnehmer einer Kombination aus einem körperlichen Training mit einer sensorischen Stimulation ausgesetzt haben. Die Analysen dieser Untersuchungen stehen noch aus. Wir gehen aber davon aus, dass das einen positiven Effekt auf die hirnstrukturellen Veränderungen hat.
Fazit Dr. Kupferberg: Kognitives auditorisches Training, um das Gehirn und das Gehör fit zu halten!
Um das Gehirn und das Gehör fit zu halten, empfehlen die Experten, dass man sich unter die Menschen begibt, an Sportveranstaltungen teilnimmt und gesellige Stammtischrunden besucht. Leider ist es zur Zeit der Corona-Pandemie nicht möglich. Ganz gleich, wie stark Sie gerade isoliert sind, es gibt viele Dinge, die Sie tun können, um geistig fit zu bleiben. Neben Bewegung als Stimmungsaufheller, möchte ich Ihnen kognitives auditorisches Training ans Herz legen, mit dem Sie bequem von Zuhause aus Ihr Sprachverstehen, Merkfähigkeit und Schnelligkeit trainieren könen.