Ein Bericht von aezteblatt.de.
Leipzig – Musik zu machen, erfordert ein komplexes Zusammenwirken verschiedener Fähigkeiten, das sich in ausgeprägten Hirnstrukturen widerspiegelt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig haben nun herausgefunden, dass sich diese Fähigkeiten viel feinabgestimmter im Gehirn zeigen, als bisher angenommen – und sich sogar je nach Stilrichtung des Musikers unterscheiden. Ihre Arbeit ist in der Fachzeitschrift Neuroimage erschienen (2017; doi: 10.1016/j.neuroimage.2017.12.058). Danach laufen bei Jazzpianisten andere Hirnprozesse ab als bei klassischen Pianisten, selbst wenn sie das gleiche Musikstück spielen.
Für ihre Studie untersuchten die Forscher 30 professionelle Pianisten, die Hälfte davon seit mindestens zwei Jahren spezialisiert auf Jazz, die andere auf klassische Musik. Diese bekamen auf einem Bildschirm eine Hand zu sehen, die eine Abfolge von Akkorden auf einem Klavier spielte, gespickt mit gezielten Stolperfallen in den Harmonien und den Fingersätzen. Die Profipianisten sollten es dem Vorbild auf dem Bildschirm nachtun und entsprechend flexibel auf die Unregelmäßigkeiten reagieren, während ihre Hirnsignale mit EEG-Sensoren auf ihrem Kopf erfasst wurden. Um dabei Störsignale wie akustische Signale auszuschließen, lief das Ganze ohne Töne als stummes Klavierspiel ab. „Wir konnten die bei Jazzpianisten trainierte Flexibilität beim Planen von Harmonien während des Klavierspiels auch im Gehirn sehen“, erklärte Roberta Bianco, Erstautorin der Studie. Als die Jazzmusiker während einer logischen Abfolge von Akkorden plötzlich einen harmonisch unerwarteten Akkord spielen mussten, begann ihr Gehirn laut dem EEG-Befund früher die Handlung umzuplanen als das klassischer Pianisten.
Entsprechend schneller konnten sie auch auf die unerwartete Situation reagieren und ihr Spiel fortsetzen. Aber als es darum ging, ungewöhnliche Fingersätze zu nutzen, hatten die klassischen Pianisten die Nase vorn: In dem Falle zeigte ihr Gehirn stärkere Aufmerksamkeit für den Fingersatz und entsprechend weniger Fehler unterliefen ihnen bei der Nachahmung.
„Anhand dieser Tests haben wir gesehen, wie feinjustiert sich unser Gehirn auf die Anforderungen seiner Umwelt einstellt“, sagte Daniela Sammler, Neurowissenschaftlerin am MPI CBS. Wer verstehen wolle, was im Gehirn geschehe, während Menschen Musik machten, dürfe sich nicht nur auf einen Musikstil konzentrieren. Das sei ähnlich wie in der Sprachforschung: Um zu erkennen, welche Mechanismen universell gelten, um Sprache zu verarbeiten, könne man sich nicht nur auf Deutsch oder Englisch beschränken, hieß es aus dem Institut. © hil/aerzteblatt.de