Blinde „sehen“ mit den Ohren, Taube „hören“ mit den Augen

Unsere Sinne scheinen voneinander getrennt zu sein. Beim Wandern können wir die Landschaft nur sehen, das Zirpen der Grillen nur hören und den Geruch des Heus nur riechen. Und tatsächlich: Zunächst wird jeder Sinneseindruck ganz für sich ausgewertet – in der Sehrinde am Hinterende des Grosshirns, in der Hörrinde auf dem Schläfenlappen und im Riechhirn direkt über der Nase. Doch dann werden Landschaft, Geräusche und Geruch zu einem Gesamteindruck verbunden.

 

Dr. Alexandra Kupferberg


Wissenschaftliche Leitung und Redaktion: Dr. Alexandra Kupferberg

Als Neurowissenschaftlerin und Leiterin des «KOJ hearing research center» ist es ihre Aufgabe und Passion, die zentrale Verarbeitung des Gehirns und die Auswirkung von Hörminderung, respektive den therapeutischen Nutzen von Gehörtraining wissenschaftlich zu untersuchen. Dabei stehen ihr in ihrem weiten Netzwerk geschätzte Kollegen der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Professoren der Neurowissenschaften beratend zur Seite. Sie alle haben dasselbe Ziel: Die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern.

Blinde Menschen haben oft ein besonders gutes Hörvermögen. Ihr Gehirn hat sich verändert.

Unsere Sinne scheinen voneinander getrennt zu sein. Beim Wandern können wir die Landschaft nur sehen, das Zirpen der Grillen nur hören und den Geruch des Heus nur riechen. Und tatsächlich: Zunächst wird jeder Sinneseindruck ganz für sich ausgewertet – in der Sehrinde am Hinterende des Grosshirns, in der Hörrinde auf dem Schläfenlappen und im Riechhirn direkt über der Nase. Doch dann werden Landschaft, Geräusche und Geruch zu einem Gesamteindruck verbunden.

Auch bei den meisten Gesprächen, die wir führen, sind mehrere Sinne gleichzeitig wichtig für das Verständnis. Selbst wenn wir gut hören können, sehen wir unserem Gegenüber oft beim Reden zu, lesen wir instinktiv und automatisch von den Lippen ab.

Wir wissen heute: Sehen und Hören beeinflussen sich gegenseitig. So können Blinde besser hören als Sehende. Da liegt die Frage nah: Wie kommt das zustande? Arbeiten die Hörbereiche im Gehirn von Blinden besser, weil sie mehr gefordert werden als die Sehbereiche? Oder wird die nutzlos gewordene Sehrinde nun für die Hörverarbeitung beansprucht? Beide Annahmen treffen zu. Einerseits arbeiten die Hörbereiche des Gehirns bei blinden Menschen schneller und präziser. Andererseits werden die Gehirnbereiche, die bei den Sehenden die visuellen Sinneseindrücke auswerten, für das Hören mitgenutzt.

Menschen mit beeinträchtigter Sehkraft oder Blinde entnehmen dem, was sie hören, mehr Informationen. Sie können zum Beispiel den Ort der Schallquelle oder die Entfernung hören. Für Blinde ist gutes Hören eine Frage der Sicherheit, wenn sie beispielsweise eine Strasse überqueren. Sie hören die Verkehrssituation so, wie Sehende sie sehen. Manche können sich hervorragend über Schnalzlaute und deren Echos zurechtfinden. Sie schnalzen mit der Zunge und erkennen an den zurückgeworfenen Echos, wie ihre Umgebung aussieht. Es gelingt ihnen, Bäume von Autos zu unterscheiden, da verschiedene Formen und Grössen der Gegenstände verschiedene Echos zurückwerfen. Mit dieser Fähigkeit können sie sogar Rad fahren. Blinde und Sehbehinderte können auch die Emotionen in einer Unterhaltung besser hören als Normalsehende. Während Normalsehende auf Gestik und Körperhaltung achten, nehmen Blinde Sprachnuancen wahr und ordnen ihnen Emotionen zu.

Wenn die Sehrinde keine Informationen mehr von den Augen erhält, sucht sie sich andere Aufgaben, und genauso verhält es sich auch mit der Hörrinde. Diesen Prozess nennt man „kreuzmodale Reorganisation bzw. Plastizität“. Vor allem wenn man früh die Sehfähigkeit verliert, wird die Sehrinde auch fürs Hören benutzt, das kann man mit modernen Bildgebungsverfahren zeigen. Diese Reorganisation des Gehirns ist umso stärker, je grösser der Hörverlust ist und je länger er besteht. Denn die für das Hören wichtigen neuronalen Netzwerke verlernen das Hören. Und sie lernen das Sehen. So nutzen Gehörlose ihre Sehfähigkeit viel effizienter als Menschen mit normalem Gehör, weil einige Bereiche ihres Hörsystems vom Sehsystem übernommen werden. Sie können besser Lippen lesen und Gesichter erkennen. Wenn man einem tauben Erwachsenen eine Aufgabe gibt, die Lippenlesen erfordert, werden bei ihm auch Bereiche aktiviert, die normalerweise dem Hören dienen. Nach einer Versorgung mit Hörimplantaten und/oder Hörgeräten dagegen werden die Hörbereiche wieder gefordert und es findet eine Art „umgekehrte“ Reorganisation statt. Die Neuroplastizität in der Hörrinde wird vor allem durch gezielte akustische Reize und Training gefördert, wie Studien an Nagetieren und an Menschen gezeigt haben.

Die Übernahme der Hörbereiche fürs Sehen kann bereits bei leichtem Hörverlust auftreten. Deswegen ist es wichtig, sein Gehör zu trainieren und sich nicht auf das Lippenlesen zu verlassen. Denn wer nicht mehr gut hört, muss darauf achten, dass seine Hörbereiche eben nicht als Sehbereiche genutzt werden und weiterhin dem Hören zur Verfügung stehen.


 

 

Reportage Tagesanzeiger, Mai 2019

Der Tagesanzeiger hat das KOJ-Institut getestet: Das KOJ-Gehörtraining wirkt.

Journalist Christian Bernhart ist selbst von einer Schwerhörigkeit betroffen und von seinen ersten Hörgeräten nicht sehr überzeugt. Er hat im  KOJ-Institut das Gehörtraining durchgeführt und von unseren Akustikspezialisten seine Hörgeräte optimieren lassen. Lesen Sie seinen Bericht. „Für mich ist aber schon jetzt klar: Mir hat es etwas gebracht. Erstaunlich vor allem, wie das Gehirn dank dem Hörtraining fortlaufend differenzierter zu hören lernt und auch die körperliche Sicherheit und das Auftreten besser werden.“

Hier der ganze Artikel: LINK ZUM TAGESANZEIGER


 

 

11. Mai 2019 – Winterthur

„Hallo Gesundheit!“ – am 11. Mai ist der Winterthurer Gesundheitstag

Am Samstag den 11. Mai findet im Herzen von Winterthur (Gate 27)der Gesundheitstag statt. Lokale Spezialisten aus Gesundheit und Medizintechnik bieten den Besuchern einen spannenden Einblick in alle relevanten Bereiche des Körpers und bei öffentlichen Vorträgen referieren Experten über Prävention und neueste Forschungsergebnisse. Der Eintritt ist frei. Auch das KOJ-Institut ist mit dabei und am Informationsstand „Gehör“ kann jeder das Gehörtraining ausprobieren. Unsere spannenden Vorträge:

11.00 Uhr | Johanna Wörner, Doktorandin Uni Zürich

Thema: Hören ist Hirnsache – Neues aus der Hörforschung

Die Neurobiologin Frau Johanna Wörner, Doktorandin an der Universität Zürich, widmet sich in ihrer aktuellen Forschungsarbeit dem Wunderwerk des menschlichen Gehörs. Millionen von Nervenreizen werden in einem Bruchteil einer Sekunde und einem Feuerwerk an kognitiver Verarbeitung zu einem zwitschernden Vogel, einem lachendem Kind und einen wunderbaren Konzert interpretiert. Was aber, wenn wir einen Hörverlust erleiden? Welche Konsequenzen hat das für das Gehirn? Wie sehr und wie schnell baut das Gehirn bei einer Hörminderung ab und kann das rückgängig gemacht werden? Und wie hängt dies alles mit Demenz zusammen? Diesen und anderen spannenden Fragen widmet sich Frau Wörner in ihrem Vortrag. Bei audiologisch-kognitiven Übungen können Zuhörer Ihre Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Merkfähigkeit austesten und dadurch mehr über die eigene auditive Leistungsfähigkeit erfahren.

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15.00 Uhr | Dr. Alexandra Kupferberg, Neurowissenschaftlerin

Thema: Besser Hören ohne Hörgeräte, denn das Gehör ist trainierbar

Wir hören mit den Ohren, aber verstehen mit dem Gehirn. Unser Ohren erzeugen 24 Stunden am Tag unzählige Sinnesreize, können diese aber nicht entschlüsseln. Das passiert erst im Gehirn, denn Hören ist ein kognitiver Prozess. 100 Millionen Nervenzellen arbeiten dort zusammen, um aus einfachen Reizen Sprache, Musik und Emotionen zu erzeugen. Unser Gehör ist unser ausgeprägtestes Sinnesorgan, wir hören mehr als wir in Summe riechen, schmecken und sehen können. Aber erst ist die Fähigkeit, Sprache zu verstehen und zu kommunizieren war der kognitive Quantensprung in unserer Evolution.

Umso wichtiger ist es, für Kommunikation und geistige Gesundheit, das Gehör fit zu halten. Neurowissenschaftlerin Dr. Alexandra Kupferberg präsentiert bei einem spannenden Vortrag fortschrittliche Methoden um das Hören und Verstehen durch modernstes und Computergestütztes Training zu verbessern. Bei Übungen zum Mitmachen können Zuhörer ihr Gehör testen und bekommen einen Einblick, wie ein Gehörtraining abläuft.

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16.30 Uhr | Dipl.-Ing. Jan-Patric Schmid, Entwickler

Thema: Fortschrittliche Medizintechnik – Was Hörsysteme der Zukunft leisten werden

Hörgeräte machen alles nur lauter, sind gross und sehen nicht schön aus? „Nein“, sagt Jan-Patric Schmid, Entwickler und Dipl.-Ing. im KOJ-hearing research center. Bei seinem Vortrag beweist er Zuhörern das Gegenteil: Hörsysteme können so klein sein, dass sie von aussen nicht mehr sichtbar sind, können versteckt in einem Ohrring sein oder sogar als Implantat am Schädelknochen verankert sein. Und weiter noch – was können Hörsysteme schon jetzt oder in naher Zukunft: Eine Email vorlesen? Strom selbst erzeugen? Den Puls messen und rechtzeitig einen Krankenwagen rufen? Das sind keine Fantasien, sondern technische Realität die bereits im Labor getestet wird. Zuhörer erfahren, auf was sie bei einem Hörgerät achten müssen und welches die aktuell fortschrittlichsten Technologien sind.

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Im Anschluss stehen alle Referenten für Fragen zur Verfügung. Weitere Infos, Vorträge und Aussteller auf www.hallogesundheit.ch
* Der Eintritt ist frei *

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Quelle: http://koj.dev10.econsor-programming.de/?na=v&nk=17-0890866b16&id=32