Dass das kognitive Hörtraining zu Veränderungen der Gehirnaktivität führen kann, haben wissenschaftliche Studien bereits vor 10 Jahren gezeigt (Anderson, White-Schwoch, Parbery- Clark, & Kraus, 2013; Filippini, Befi-Lopes, & Schochat, 2012; Gil & Iorio, 2010; Tremblay, Shahin, Picton, & Ross, 2009). Eine Kernspintomographiestudie hat zum Beispiel Verbesserungen der Aufmerksamkeit nach einem am Smartphone durchgeführten auditorischen Silbentraining demonstriert. Diese Verbesserung ging mit einer entsprechenden Veränderung der Gehirnaktivierung in einer Region einher, die an der auditorischen Verarbeitung beteiligt ist (Bless, Westerhausen, Kompus, Gudmundsen, & Hugdahl, 2014).
Multimodales Training ist am effektivsten
Neuere Erkenntnisse kommen aus den Studien, die multimodale oder visuelle Reize für das Training der kognitiven Funktionen benutzen. Eine Kernspintomographiestudie demonstrierte z. B. eine erhöhte Hirnaktivität in frontalen und parietalen Kortices nach dem Üben von Arbeitsgedächtnisaufgaben, die visuell präsentiert wurden (Olesen, Westerberg, & Klingberg, 2004). Eine neuere mit gesunden älteren Erwachsenen (Alter: 64-77 Jahre) mittels Kernspintomographie durchgeführte Studie benutzte computerisiertes adaptives Training mit multimodalen Aufgaben über 8 Wochen 1 Stunde am Tag und an 3 Tagen pro Woche (Kim, Chey, & Lee, 2017). Die Aufgaben zielten auf das Training von Arbeitsgedächtnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit und den zentralen exekutiven Funktionen – das heißt, die Fähigkeit, Handlungsimpulse zu kontrollieren. Auf der Verhaltensebene brachte das Training, im Vergleich zur passiven Kontrollgruppe, signifikante Verbesserungen in Verarbeitungsgeschwindigkeit und exekutiven Funktionen, aber nicht beim Arbeitsgedächtnis. Die Trainingseffekte korrelierten mit den beobachteten Hirnaktivierungen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe rekrutierten die Probanden der Trainingsgruppe zusätzliche Regionen im rechten frontalen und parietalen Kortex sowie die linke Insula-Region – alle genannten Areale spielen bei der kognitiven Kontrolle eine wichtige Rolle.
Wenn das Gehirn stimuliert wird, bauen Zellen neue Verbindungen auf und reagieren schnelle auf neue Reize
Eine dritte Studie berichtete von einem erhöhten Blutfluss und einer größeren funktionalen Konnektivität im „Central Executive Network“ (zentrale exekutive Gehirnregionen, die u. a. an kognitiven Funktionen wie Arbeitsgedächtnis, Problemlösen, Entscheidungsfindung beteiligt sind) und Default Mode Network (Ruhezustandsnetzwerk, eine Gruppe von Gehirnregionen, die beim „Nichtstun“ aktiv werden) nach einem Denk- und Strategietraining (Chapman et al., 2015). Als Grund für diese Veränderungen im Gehirn vermuten die Autoren unter anderem einen Zuwachs der Anzahl von Neurotransmitter-Rezeptoren als Folge der häufigen Aktivierungen. Auf diese Weise seien die Nervenzellen darauf vorbereitet, auf zukünftige Reize ähnlicher Art auch im Ruhezustand „besser“ zu reagieren. Weiterhin nehmen die Autoren der Studie an, dass die Protein- und Lipidsynthese in den Nervenzellen ebenfalls angetrieben werde, was zur Bildung oder Stärkung neuer Synapsen dienen könne. Weil diese Vorgänge Energie bräuchten, stiege die Durchblutung.
FAZIT: Viele wissenschaftliche Studien liefern Hinweise, dass computerbasierte auditorische Trainings zu positiven Veränderungen im Sprachverständnis und in der Sprachverarbeitung führen. Obwohl die Ergebnisse dieser Studien ermutigend sind, ist die gewonnene Evidenz bisher aufgrund des begrenzten Stichprobenumfangs und der Designs meist ohne gut vergleichbare Kontrollgruppen für die Zukunft noch deutlich zu verbessern.
Literatur:
Anderson, S., White-Schwoch, T., Parbery-Clark, A., & Kraus, N. (2013). Reversal of age- related neural timing delays with training. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 110(11), 4357–4362. https://doi.org/10.1073/pnas.1213555110
Bless, J. J., Westerhausen, R., Kompus, K., Gudmundsen, M., & Hugdahl, K. (2014). Self- supervised, mobile-application based cognitive training of auditory attention: A behavioral and fMRI evaluation. Internet Interventions, 1(3), 102–110. https://doi.org/10.1016/j.invent.2014.06.001
Chapman, S. B., Aslan, S., Spence, J. S., Hart, J. J., Bartz, E. K., Didehbani, N., … Lu, H.(2015). Neural Mechanisms of Brain Plasticity with Complex Cognitive Training in Healthy Seniors. Cerebral Cortex, 25(2), 396–405. https://doi.org/10.1093/cercor/bht234
Filippini, R., Befi-Lopes, D. M., & Schochat, E. (2012). Efficacy of Auditory Training Using the Auditory Brainstem Response to Complex Sounds: Auditory Processing Disorder and Specific Language Impairment. Folia Phoniatrica et Logopaedica, 64(5), 217–226. https://doi.org/10.1159/000342139
Gil, D., & Iorio, M. C. M. (2010). Formal auditory training in adult hearing aid users. Clinics, 65(2), 165–174. https://doi.org/10.1590/S1807-59322010000200008
Kim, H., Chey, J., & Lee, S. (2017). Effects of multicomponent training of cognitive control on cognitive function and brain activation in older adults. Neuroscience Research, 124, 8–15. https://doi.org/10.1016/j.neures.2017.05.004
Olesen, P. J., Westerberg, H., & Klingberg, T. (2004). Increased prefrontal and parietal activity after training of working memory. Nature Neuroscience, 7(1), 75–79. https://doi.org/10.1038/nn1165
Tremblay, Shahin, A. J., Picton, T., & Ross, B. (2009). Auditory training alters the physiological detection of stimulus-specific cues in humans. Clinical Neurophysiology, 120(1), 128–135. https://doi.org/10.1016/j.clinph.2008.10.005
Verfasst von Dr. Alexandra Kupferberg