Artikel von inFranken ■
Brummen, Summen, Sausen, Brausen, Klingeln, Pfeifen, Rauschen – ein Tinnitus macht mit vielen unterschiedlichen Geräuschen auf sich aufmerksam. Inder deuten diese Ohrgeräusche ganz positiv als Nähe zu höherer Macht, die nicht jedem beschieden ist. Die meisten Menschen fühlen sich allerdings vom Dauerton im Ohr schwer gestört. Musiker wie Phil Collins, Eric Clapton, Pete Townshend von der Band The Who oder Lars Ulrich von Metallica können ein Lied davon singen: Sie leiden an einem Tinnitus. Damit befindet sich Karin Kleinschmitt (Name von der Redaktion geändert) aus Bad Kissingen in prominenter Gesellschaft, denn auch bei ihr lebt ein Dauerton im Ohr.
Der machte sich nach einem Konzert im Oktober letzten Jahres bemerkbar. Weil es ihr trotz angepasster Ohrenstöpsel viel zu laut war, verließ sie vorzeitig die Musikveranstaltung. Schon im Auto auf dem Heimweg bemerkte sie einen hellen Pfeifton im Ohr. Weil sie ohnehin schon immer ein wenig Probleme mit den Ohren habe, so die 55-Jährige, geriet sie erst einmal nicht in Panik.
Kürzere Intervalle mit Pfeiftönen, das kannte sie. Zuhause angekommen befolgte sie den Rat eines Apothekers, schluckte zwei Aspirin und sank ins Bett. Am anderen Tag, richtig ausgeschlafen, hoffte sie, würde der Spuk der Vergangenheit angehören. Weit gefehlt. Auch am nächsten und übernächsten Tag begleitete sie der Pfeifton. Sie ging zum HNO-Arzt, der verschrieb ein leichtes Beruhigungsmittel, homöopathische Tropfen, Tabletten, jeden Abend die Auflage einer möglichst heißen Wärmflasche im Nackenbereich und viel Ruhe. Gerade letzterer Punkt ist kaum machbar in ihrem Job, sie arbeitet in einem Großraumbüro, vor dessen Fenstern eine Hauptverkehrsstraße zusätzlichen Lärm bringt. Als häufigster Auslöser für einen Tinnitus (lat. tinnire: Klingeln) – neben Knall- und Explosionstrauma – gilt Stress.
Einem Tinnitus geht häufig ein Hörsturz voraus, das muss aber nicht sein. «Rein theoretisch hat jeder einen Tinnitus», beschreibt Dr. med. Joachim Hepp die Situation, «nur bei den meisten Menschen kommt er nicht zum Ausbruch.» Neben Verspannungen im Bereich des Nackens und der Halswirbelsäule, Entzündungen am Ohr oder auch Traumata oder Verletzungen am Kopf, Hörsturz oder Erkrankungen im Mittelohr, Verletzungen am Trommelfell und der Einnahme bestimmter Medikamente gilt Stress als Verursacher für Ohrgeräusche.
Halten sie länger als drei Monate an, können sie chronisch werden, aber auch das heißt nicht, dass sie nie wieder weg gehen. «Am besten leben Menschen mit Tinnitus, die ihm am wenigsten Beachtung schenken», sagt Hepp. Das heißt, wer sich immerzu auf seinen Tinnitus konzentriert, wird ihn auch mehr wahrnehmen und noch mehr unter ihm leiden – ein Teufelskreis.
Verhaltenstherapie hilft
Echte Hilfe ist noch nicht gefunden, Hepp rät – ähnlich wie bei Schmerzpatienten – neben der Abklärung auf organische Ursachen zu Verhaltenstherapie als Maßnahme im Umgang mit einem Tinnitus. Um sich im Vorfeld zu wappnen gilt es, Lärm, dauerhaften Stress auf der Arbeit oder auch in der Freizeit zu vermeiden. Wer jung ist, nimmt Lautstärke anders wahr – das zeigt sich am besten bei Musikveranstaltungen oder in Diskotheken, kaum ein Jugendlicher trägt hier Ohrenstöpsel.
Doppelter Stress
Heute wären (nicht nur) die eingangs genannten Musiker froh, wenn sie ihre Ohren besser geschützt hätten. Selbst das täglich nächtliche Schnarchen des Partners kann – wenn es als störender Lärm empfunden wird – Stress verursachen. Wer dann jede Nacht noch sein Bett räumen muss, um geräuschlos im Wohnzimmer schlummern zu können, der hat doppelt Stress: Nicht einschlafen können und die Panik, nicht genug Schlaf zu bekommen. Ganz nebenbei wird der Schlafrhythmus gestört, wenn man nachts umzieht.
Hier hilft entweder ein eigenes Schlafzimmer oder angepasste Ohrstöpsel, die der Hörakustiker vor Ort individuell anfertigt. Die Stöpsel machen lautes Schnarchen ganz leise und funktionieren natürlich auch bei anderen Gelegenheiten.
Information zum Thema gibt auch die Deutschen Tinnitus Liga e.V. (DTL), sie vertritt als gemeinnützige Selbsthilfeorganisation die Interessen von Patienten mit Hörsturz, Tinnitus, Hyperakusis und Morbus Menière und deren Angehörige. Der Organisation, die 1986 in Wuppertal gegründet wurde, gehören über 800 Fachleute als Partner und fördernde Mitglieder an, darunter renommierte Wissenschaftler, HNO-Ärzte, Ärzte weiterer Disziplinen, Hörakustiker, Psychologen und Therapeuten. Außerdem werden rund 90 Selbsthilfegruppen in Deutschland durch die DTL betreut. Die Organisation arbeitet unabhängig von parteipolitischen oder konfessionellen Bindungen.