Lärm wirkt auf das Gehirn

Magdeburg/Göttingen/Erlangen – aerzteblatt.

Starker Lärm könnte langfristige Veränderungen im Gehirn bewirken. Das Berichten Wissenschaftler aus Göttingen, Magdeburg und Erlangen in der Fachzeitschrift Frontiers in Neuroscience (2021; DOI: 10.3389/fnins.2020.598406).

„Beinahe 20 Prozent unserer Bevölkerung leidet unter Einschränkungen beim Hören“, erläutert Holger Schulze vom Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg. Dafür seien nicht nur die geschädigten Haarsinnes­zellen im Innenohr verantwortlich, sondern auch Änderungen der Verschaltungen von Nervenzellen im Gehirn.

Die Wissenschaftler haben im Tiermodell untersucht, was im Gehirn von Wüstenrennmäusen nach Beschal­lung mit einem lauten Ton über rund eine Stunde geschieht. Das Forscherteam hat dazu in der Hörrinde die Aktivität vieler tausend Nervenzellen gemessen. Laut ihren Ergebnissen sind die Nervenzellen nach einem Schalltrauma nicht direkt geschädigt, doch die Befunde der Studie zeigen, dass es durch die lokale Schädigung von Haarsinneszellen zu einer generell reduzierten Verarbeitung von Tönen in der zentralen Hörrinde kommt.

„Diese Form des lärmbedingten Hörverlustes kennen viele von uns, wenn sie nach einem Konzert oder Clubbesuch ein dumpfes Hörempfinden oder sogar Klingeln im Ohr feststellen“, erläutert Max Happel vom Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg.

Als die Forscher die Aktivität der Neuronen in der Hörrinde Wochen nach der akuten Schädigung analy­sierten, fanden sie Veränderungen der Verarbeitung der Tonfrequenzen, welche durch das Schalltrauma geschädigt wurden. Es kam zu bleibenden Änderungen der Nervenschaltkreise in der Hörrinde.

Die Wissenschaftler vermuten hier einen dem Hörschaden entgegenwirkenden Kompensationsmecha­nismus und eine mögliche neurologische Ursache von Schwerhörigkeit oder Tinnitus. „Wie genau solche Änderungen zur Pathophysiologie des lärminduzierten Hörverlustes oder womöglich zu Phantomge­räuschen, also Tinnitus, führt, ist Gegenstand aktueller Forschung“, gibt Frank Ohl vom Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg einen Ausblick auf die weitere Arbeit.

© hil/aerzteblatt.de